Helmut Eberhard Pfitzer
Verschtand ond G'fühl
Gedichte, Skizzen, Chansons


erschienen im Silberburg-Verlag, Tübingen
ISBN 3- 87407-520-6


Leseprobe:

Kender om die drei

Du kommsch abends hoim ond Dei Frau guckt ganz entnervt
ond Du frogsch was war los mit wem hosch denn heit zervt
ond dr Kloine strahlt de o, ond ruft "Papa malen jetzt"
ond schnappt sich glei an Schreiber Marke Dokumentafeschd
ond Du willsch no schnell was saga doch do molt er scho an Kreis
uff dr Teppichboda no ond Du wirsch kreideweis
ond Du denksch an Dein Vermieter, fühlsch a nahende Ohnmacht
ond em Radio sengt oiner, Kinder an die Macht

Ond Du denksch an d Pädagogik, doch em Lehrbuch schtoht net dren
was Kender om die drei für Energiea hen
durch den kloina Wirbelwend isch nix meh wie vorher
trotzdem Du dätsch net tauscha, gäbsch'n koi Sekond meh her

Am Sonntich gibt's an Brata mit ra guata Soß
ond eh da richtig gucksch hosch die Soß uff Deiner Hos
ond Nachberin begegnet dr dann em Treppahaus
ond sagt, Ihr Sohn schtrahlt emmer, der sieht so zfrieda aus

des liegt an dr Erziehung, des merkt mr oifach glei
ond Du lächelsch leicht gequält ond denksch an den Grießbrei
den hot r geschtern Abend end Bodaleischta gschmiert
ond Du sagsch do hen se recht, Kender gherat gfiahrt
Ond Du denksch an d Pädagogik, doch em Lehrbuch schtoht net dren
was Kender om die drei für Energiea hen
durch den kloina Wirbelwend isch nix meh wie vorher
trotzdem Du dätsch net tauscha, gäbsch'n koi Sekond meh her


Zrück dann vom Schpaziera, tobt r vor em Haus
en de Nachbarhäuser ganget älle Fenschter auf
er will partout an Regewurm, des wär was zom Essa
dr Papa hätt jo schließlich au scho Schnecka gessa
ond Du schpürsch zig Augapaar ond dr Schwoiß der bricht dr aus
ond Du denksch dr ganz verzweifelt, woe komme do bloß raus
Du verschprichsch em dann a Bombo ond er schtrahlt de o
goaht dann folgsam mit, wie leicht mr doch erzieha ko

Ond Du denksch an d Pädagogik, doch em Lehrbuch schtoht net dren
was Kender om die drei für Energiea hen
durch den kloina Wirbelwend isch nix meh wie vorher
trotzdem Du dätsch net tauscha, gäbsch'n koi Sekond meh her
©Helmut Eberhard Pfitzer

Der Schwabe als Städter und Landbewohner

Es gibt zwei Sorten von Schwaben, ja fast könnte man sagen, der Schwabe zerfällt
geradezu in zwei Teile: Den Städter, den sogenannten Schtuagerter und den länd-
lichen Bewohner, das sogenannte Landei. Der eine Teil ist dem anderen in herzlicher
Abneigung zugetan. An Schtuagerter! Auf dem Land ist das geradezu ein Schimpfwort.
Als mich meine frühere Frau, die vor unserer Ehe in einem kleinen Ort bei Balingen
lebte, das erste Mal nach Hause brachte, bekam sie hinterher zu hören: Ausgrechnet
an Schtuagerter! Inzwischen erzählt man sich dort allerdings, dass es sogar auch unter
den Schtuagertern Menschen geben soll. Diese Abneigung hat eine lange Tradition.
Kam doch die Obrigkeit immer aus Schtuagert und meist in Verkörperung höchst un-
erfreulicher Personen, wie zum Beispiel dem Steuereintreiber.
Der Städter, gemeinhin Schtuegerter genannt, auch wenn er aus Ludwigsburg oder
Waiblingen kommt, hat seinerseits wohl die Vorstellung, dass der Bewohner auf
der Alb heute noch mit einem Brett vor dem Kopf herumläuft, mit dem Hammer das
Licht ausmacht und hinterher befriedigt "Sodele!" sagt. Sein größtes Glück, so nimmt
der Städter an, ist eine warme Stube! Kürzlich hörte ich in einem bekannten Stuttgarter
Weinlokal einen auch unter den Schwaben verbreiteten Typ des pseudointilektuellen
Wichtigtuers also so ein typischer Intelektululli über die durchaus vernünftige Ange-
wohnheit ländlicher Bewohner beizeiten ins Bett zu gehen, sagen: Wer mit de Hehner
ens Bett geht, braucht sich net wondra wenn r Salmonella kriegt.

Als ich vor Jahren mit einem Bekannten in einem Lokal in Albstadt-Onstmettingen
einkehrte, gab es nur noch am Stammtisch zwei freie Plätze. Mein Bekannter, der
aus Mähringen bei Tübingen stammte, fragte höflich, ob wir Platz nehmen dürften.
"Hocket se no na" wurde uns freundlich beschieden. Wir unterhielten uns angeregt,
bis einer am Stammtisch fragte "Wo send dr denn her?" Mein Bekannter, der sonst
ein durchaus gemäßigtes Schwäbisch sprach, antwortete: "I be z'Mairing!" und ich
antwortete: "i komm aus Schtuagert!" Daraufhin der Onstmettinger ganz trocken:
"Han es doch glei gsagt: Des isch koin Schwob!" Ond dabei send die Schtuagerter
mindestens so überzeugte Schwoba wie die andre au, mit ma ziemlicha Lokalpatrio-
tismus. Läßt sich etwa ein überzeugterer Schwabe wie der jahrzehntelange OB von
Stuttgart, Manfred Rommel denken? Der hot scho vor Jahren Licht in diese vorurteils-
schwangere Finsternis gebracht: Vor dem Narrengericht in Stockach stellte er fest:
"Die Schwaben, insbesondere die Schtuagerter sind Alemannen. Sie sind bloß nach
der Niederlage der Alamannen in der Frankenschlacht nicht so weit fortgschprungen
wie die andern. Sie haben allerdings im Laufe der Jahrhunderte die rauhe, auf häufige
Erkältungskrankheiten hinweisende und von der Notwendigkeit, Wölfe abzuschrecken,
geprägte germanische Ursprache abgelegt, die im Süden des Landes immer noch üblich
ist. Sie haben statt dessen, den mit Wohllauten erfüllten, schwäbischen Dialekt ausgebildet,
der sich insbesonders durch schöne Nasale auszeichnet, wie sie sonst nur im Portugisischen
oder im Französischen vorgefunden werden.

Vielleicht hat die schwierige Wohnsituation im Ballungsraum Stuttgart auch einen positiven
Effekt: Durch die teuren Mieten und die hohen Preise für Eigentumswohnungen ziehen
immer mehr Stuttgarter Familien in ländliche Bezirke, so dass viele Landbewohner momen-
tan einen tiefen Kulturschock erleben: Sie stellen nämlich entsetzt fest, dass mr au die
Schtugerter lau ko, dass se au am liebschta Maultascha ond Lensa mit Spätzla esset,
wenn se au an Schpinat end Maultascha neident ond schtatt Knöpfla Schpätzla schabet.
©Helmut Eberhard Pfitzer


S'wird Frühling, Schatzi

S'wird Frühling, Schatzi, hol dei Fahrrad raus
d'Sonne scheint, Du jetzt nix wie naus
Du selbst Nachbarin guckt heit net bees
die grießt sogar recht freundlich, was isch des?

D'Rentner sitzat wieder uffm Bänkle
ond blenzlat z'frieda en dr Sonnaschei
ond rengsrom der Duft von nasser Erde
Du nemm a Nas voll, atem kräftig ei

S'wird Frühling, Schatzi Du jetzt nix wie naus,
den langa Wenter hält jo koi Mensch aus
sogar die Betonsiedlung guckt heit liab
ond dr Neckar isch net ganz so triab

Ond d'Frau Maier macht scho wieder d'Kehrwoch
ond dr Lehmann putzt sei Auto blank
en de Bäum do hört mr d'Vögel zwitschra
die laue Luft, die macht oin jo faschd krank

S'wird Frühling, Schatzi guck dr dees mol o
wie des Wetter d'Leit verändra ko
d'Apotheker hend jetzt Konjunktur
jetzt verkauft sich jede Schlankheitskur
ond dr erschte Bautrupp isch am werkla
ond reißt begeischtert älle Schtroßa uff
ond dr Schpritpreis schteigt jetzt wieder schtändig
ond d'erschte Gartawirtschaft macht grad uff

S'wird Frühling, Schatzi, s'wird Frühling, Schatzi, s'wird Frühling!
©Helmut Eberhard Pfitzer